Der richtige Zeltplatz bei Wind und Sturm

Wenn sich der Tag dem Ende neigt, die Beine müde werden und der Magen nach einer warmen Mahlzeit verlangt, ist es Zeit, das Lager aufzuschlagen. Meist ist es besser, nicht erst dann mit der Suche nach einem geeigneten Zeltplatz zu beginnen. Bei stabilem Wetter könntest du dir dafür einfach die nächste Stelle mit festem Schnee und prima Aussicht suchen. Aber wie sieht es aus, wenn ordentlich Wind bläst? Oder wenn das Wetter über Nacht unerwartet umschlägt?

Inhaltsverzeichnis

Für natürlichen Windschutz sorgen

Bei den üblichen Winden im Fjell kann dein Zelt über Nacht ganz schön durchgeschüttelt werden. Die Zeltplane flattert dann im Wind und fest schlafen können wohl nur noch erfahrene Profis. Selbst in einem waschechten Winterzelt komme ich bei Wind nie richtig zur Ruhe, wenn ich nicht wirklich todmüde bin. Deshalb ist es sinnvoll, für ausreichenden Windschutz zu sorgen und den Zeltplatz bei Wind mit Bedacht zu wählen.

Den besten Windschutz bietet die Natur selbst: Bäume, Sträucher, ein Fels oder eine Senke hinter einer Anhöhe, alles kann deinem Zelt als Windschutz dienen. Schon ein paar kleine Birken verwirbeln den Wind so stark, dass er nicht mehr direkt auf dein Zelt trifft.

Bedenke bei der Wahl des Zeltplatzes aber auch, dass sich bei Windstille die kalte Luft in Senken und Mulden sammelt. Du musst dich also je nach Wettereinschätzung entscheiden.

Zwischen Sträuchern ist der Schnee oft weniger fest als auf der freien Fläche, was das Setzen der Schneeheringe erschwert. Manchmal musst du also zwischen einer windexponierten Stelle mit festem Schnee für guten Halt und einer windgeschützten Stelle mit Pulverschnee wählen.

Du siehst, ein wirklich guter Zeltplatz bei Wind ist eine Mischung aus einer Portion Glück und einem trainierten Spürsinn.

Schon ein kleiner Busch vor unserem Zelt bricht den Wind in seiner Wucht (Foto: Malte Hübner)
Schon ein kleiner Busch vor unserem Zelt bricht den Wind in seiner Wucht

Früh Ausschau halten

Meistens kannst du schon am Nachmittag abschätzen, wie weit deine Etappe noch geht. Etwa eine Stunde vor dem Etappenende könntest du dann anfangen, nach geschützten Orten Ausschau zu halten. Bei konstanter Wetterverschlechterung solltest du übrigens immer sofort damit anfangen. Wenn du dann merkst, dass es wirklich höchste Zeit für dein Lager ist, nimmst du besser die nächste gute Stelle und verzichtest auf wenige weitere Kilometer. Schließlich besteht sonst die Gefahr, dass du anschließend lange keinen geeigneten Zeltplatz mehr findest.

Gehst du trotzdem weiter und es kommt keine gute Stelle mehr, musst du wohl oder übel umkehren. Das ist meist die bessere Wahl als an einer ausgesetzten Stelle dein Lager aufzuschlagen. Der Zeltplatz bei Wind und Sturm entscheidet oft über eine ruhige oder schlaflose Nacht und damit über deine Erholung für die nächste Etappe.

Bei Sturm schnell ins Zelt (Foto: Lutz Grünke)
Bei Sturm schnell ins Zelt

Geeignete Zeltplätze bei Wind im Gelände

Mit etwas Erfahrung für das Gelände kannst du schnell zwischen geeigneten und ungeeigneten Plätzen unterscheiden. Manchmal hilft es, sich den Wind wie einen fließenden Fluss vorzustellen: Verengt sich das Flussbett, fließt er schneller. Prallt der Fluss gegen ein Hinderniss, verwirbelt das Wasser dahinter zu einem Strudel. Rauscht er über eine Kante, beschleunigt er zu einem Wasserfall.

In engen oder insbesondere sich verengenden Tälern kann sich die Windgeschwindigkeit wie in einer Turbine steigern. Hier sind die besten Zeltplätze also eher in den breiten Talstellen. Manchmal finden sich auch ruhige Stellen hinter kleinen Talbiegungen.

Hinter einer Geländekante oder einem Fels können Strudel oder Fallwinde entstehen, die das Zelt unruhiger flattern lassen, als im direkten Wind. Gleichzeitig nimmt so ein Strudel viel Kraft aus der gesamten Strömung. Auch immer wieder „drehende“ Winde hinter einem Bergrücken sind auf diese Art von rotierenden Walzen zurückzuführen.

Ein Effekt solcher Windwalzen kann auch an größeren Steilkanten auftreten, an denen der Wind aus dem Tal kommt. Zwar kostet es die gute Aussicht, aber weiter weg von der Kante wird es oft windstiller.

Das sind nur einige Beispiele dafür, wie das Gelände den Wind beeinflussen kann. Ohne bereits vorhandenen Wind sind Einschätzungen dazu aber nur für Geübte möglich. Und wenn der Wind bereits da ist, fehlt manchmal die Zeit (oder Geduld), nach einem vom Gelände geschützten Wind Ausschau zu halten.

Um den Zeltplatz bei Wind eine Schneemauer ziehen

Wenn du keinen natürlichen Windschutz findest, kann eine Schneemauer dein Zelt vor dem schlimmsten Wind schützen. Dazu schneidest du dir mit der Schneeschaufel Blöcke aus dem Schnee und stapelst sie zu einer Mauer. Achte darauf, dass die Mauer stabil genug ist.

Eine nützliche Schneemauer zu bauen, hört sich einfacher an, als es ist. Viele Mauern stehen zu nah am Zelt. Zwar erscheint es auf den ersten Blick sehr logisch, den Windschutz so nah wie möglich am Zelt zu bauen. Tatsächlich entstehen dadurch aber Verwirbelungen direkt zwischen Mauer und Zelt. In diesen Verwirbelungen sammelt sich der Flugschnee und schon bald wirst du mächtige Schneemassen auf deinem Zelt vorfinden. Dann heißt es schaufeln, schaufeln und schaufeln.

Der ideale Abstand einer Schneemauer zum Zelt liegt meiner Erfahrung nach bei etwa zwei Metern. Die Verwirbelungen des Windes treffen dann zwar etwas stärker auf das Zelt, aber diese sind deutlich schwächer als der direkte Wind. Der Schnee sammelt sich in diesem Fall nicht direkt am Zelt und du musst weniger schaufeln.

Die erforderliche Höhe einer Schneemauer entspricht etwa zwei Drittel der Zelthöhe. Eine höhere Schneemauer bringt nicht unbedingt mehr Nutzen, kostet aber mehr Arbeit. Die Mauer sollte auch nicht viel breiter als dein Zelt sein, damit sich der Schnee nicht an den Seiten des Zeltes ansammelt.

Auch eine Mauer um das gesamte Zelt herum ist eher kontraproduktiv, weil der verwirbelte Wind dann nicht „abfließen“ kann. Baue sie daher nur auf die windzugewandte Seite.

Profitipps für den Schneemauerbau

Die Tourengeher mit jahrelanger Erfahrung kennen einen weiteren Trick, der sich den Wind zunutze macht: Aus Windrichtung gesehen buddelst du zuerst einen Graben, aus dem du deine Blöcke zum Mauerbau aushebst. Dann folgt die Mauer wie oben beschrieben und danach in etwa 2 Meter Abstand das Zelt.

Vor der Mauer wird sich der Wind nun so zu einer Walze verwirbeln, dass sich noch vor dem Graben eine Wechte aufbaut. Diese Wechte sorgt dann wie ein Spoiler für weiteren Windschutz.

Damit die durch die Mauer erzeugte Luftwalze nicht von oben auf dein Zelt trifft, hilft es, Lücken in die Mauer einzubauen und die obere Kante zackig zu gestalten. Viele kleine Verwirbelungen schwächen die Walze.

Und wo wir gerade bei Gräben sind: Hebe dir einen zusätzlichen Graben in der Apsis aus. Damit hast du dann fast Stehhöhe im Zelt und eine Menge mehr Komfort.

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Bringt eine Schneemauer wirklich etwas?

Es gibt Stimmen, die Schneemauern für reine Spielerei halten und ihr keine Bedeutung beimessen. Andererseits sieht man im Fjell immer wieder mächtige Bollwerke um die Zelte herum. Wer hat nun Recht? In erster Linie vertraue ich auf meine eigene Einschätzung und den Wetterbericht (plus Barometer). Wenn ich einen natürlichen Windschutz finde, nutze ich ihn und verzichte auf eine Mauer. Wenn es keinen geschützten Zeltplatz bei Wind gibt, baue ich mir eine kleine Mauer. Auf Solotour dauert das eine halbe Stunde und macht auf jeden Fall warm. In einer Gruppe geht es sogar noch schneller.

Und wenn ich doch mal ohne Mauer schnell ins Zelt muss, dann stelle ich wenigstens die Pulka quer und schaufle zur Not noch Schnee als Ballast hinein.

Die Pulkas brechen den Wind etwas (Foto: Malte Hübner)
Die Pulkas brechen den Wind etwas

Wie viel Wind hält ein Zelt aus?

Die Frage, welche Windgeschwindigkeit ein Zelt aushält, kann nicht pauschal beantwortet werden. Sie hängt von vielen Faktoren wie Form, Qualität des Zeltes und dem richtigen Aufbau ab. Die Kraft, die der Wind auf dein Zelt ausübt, vervierfacht sich bei Verdoppelung der Windgeschwindigkeit. Zwischen 40 km/h Wind und 80 km/h Sturm liegen also viermal so viele Newton, die dein Zelt aushalten muss!

Ein Expeditionszelt sollte dennoch Windgeschwindigkeiten von 100 km/h (28 m/s) noch wegstecken können, wenn es richtig aufgestellt ist und der Wind nicht dreht. Das heißt aber nicht, dass der Aufenthalt im Zelt noch angenehm ist, wenn du darin im Schneesturm abwettern musst. Ein bedrohlich flatterndes Zelt kostet immer Nerven. Übe besser alle Schritte vorher.

Welche Fehler kannst du machen?

  • Das Zelt regelrecht eingraben: Schnee sammelt sich in jedem Spalt, deshalb ist das Winterfjell so schön glatt. Über kurz oder lang ist dein Zelt verschwunden.
  • Auf das Wetter vertrauen: Das kann bedeuten, dass du dein Zelt nachts noch im Schein der Stirnlampe abspannen musst.
  • Nachts nie kontrollieren, wie viel Schnee auf dem Zelt liegt: Jedes Mal, wenn du aufwachst, solltest du mit einem Arm kurz die Schneelast auf dem Zelt kontrollieren. Dafür musst du nicht gleich rausgehen. Aber wenn der Schnee mehr wird, heißt es Jacke überziehen und freischaufeln. Vor allem die Lüfter müssen schneefrei bleiben.
  • Sich nicht abwechseln: Bei wirklich bedrohlichen Verhältnissen ist es zumindest in einer Gruppe sinnvoll, sich mit einer Art Nachtwache abzuwechseln. In solch einer Situation war ich – zum Glück! – noch nie.
  • Dinge vor dem Zelt liegen lassen: Sie sind morgens meist vom Schnee verdeckt und gehen dann schnell verloren.

Und wie machst du es richtig?

  • Das Zelt vor dem Ausrollen sichern: Du kannst es zum Beispiel mit einem Ski verankern, damit es nicht wegfliegt. Oder du bindest es an die Pulka.
  • Am besten geht der Aufbau zu zweit: Das Zelt steht dann schneller sturmfest.
  • Auf die Windrichtung achten: Die Hauptwindrichtung im Fjell ist aus Südwest. Wenn es abends windstill ist, ist die Wahrscheinlichkeit für aufkommenden Wind aus dieser Richtung am größten. Besonders bei Tunnelzelten sollte genau auf die Windrichtung geachtet werden.
  • Den Eingang 90 Grad zum Wind ausrichten: Damit verschließt meist keine Schneewehe den Eingang. Die zweitbeste Wahl ist die windabgewandte Seite.
  • Die Schaufel mit in die Apsis nehmen: Draußen nützt sie dir nichts, wenn du eingeschneit wirst.
  • Alle Zeltschnüre abspannen: Die Schneeheringe dafür sauber setzen und regelmäßig kontrollieren, ob die Zeltschnüre noch gespannt sind.
  • Verschließe die Zeltkante unten mit angehäuftem Schnee: Sonst weht es dir in die Apsis und pudert dort alles zu. Auch die windzugewandten Lüfter solltest du so weit schließen, bis fast kein Schnee mehr eindringt. Schließe sie aber nie alle, vor allem nicht beim Kochen (CO-Vergiftung führt bis zum Tod).

Trotz aller Umsicht und aller Tipps kann es passieren, dass dich das Wetter überrascht. Was aber, wenn es für den Aufbau des Zeltes schon zu spät ist? Dann solltest du zusätzlich einen Windsack dabeihaben und dich schnellstmöglich eingraben.

Jetzt bist du an der Reihe. Welche Fragen hast du? Was gefällt dir an diesem Beitrag? Was möchtest du ergänzen? Lass es mich in einem Kommentar wissen.

4 Gedanken zu „Der richtige Zeltplatz bei Wind und Sturm“

  1. Hallo Malte,

    guter Beitrag und allgemein eine tolle Seite.

    Bezüglich Mauer vor dem Zelt gibt es eine einfache und wirksame Möglichkeit die starken Turbulenzen hinter der Mauer zu reduzieren. Ähnlich wie ein Busch, der mit seinen Ästen die Luft bremst, jedoch nicht genug Fläche bietet um große und somit starke Turbulenzen zu erzeugen, ist es sinnvoll die Mauer auch nicht „dicht“ zu bauen. Meiner Erfahrung nach ist eine optisch nicht ansehnliche, löchrige und an der Oberkante zackige Mauer sehr effektiv. Diese hat weniger das Problem der Schneeansammlungen und auch das Schlagen der Druckwellen der Verwirbelungen auf das Zelt ist weniger stark.

    Eine dichte Wand erzeugt eine Walze mit Abwinden mit hohen Geschwindigkeiten die von oben auf das Zelt treffen kann. Deswegen auch der Abstand von 2 – 3 m. Eine Mauer mit ca. 20 – 30% Löchern zwischen den Blöcken erzeugt eine Luftbewegung in Windrichtung auch direkt hinter der Mauer und somit eine deutlich kleinere Walze mit geringeren Geschwindigkeiten der Abwinde. Eine Zackige Oberkante wirkt ebenfalls einer großen Walze entgegen und zerreißt diese.

    Mit dem Graben vor der Mauer habe ich ebenfalls gute Erfahrungen gemach, das nimmt dem Wind ebenfalls etwas Energie durch die hier entstehende Walze.

    Schöne Grüße und vielleicht mal irgendwo im Schnee 😉
    Adrian

    Antworten
    • Hallo Adrian,
      vielen Dank für den fachlichen Kommentar, das klingt sehr nachvollziehbar. Je mehr kleine Verwirbelungen, desto weniger eine große. Da muss nur der Schnee mitspielen, damit sich feste Blöcke schneiden lassen, die man als Lückenmauer bauen kann. Ich habe ja bisher eher selten eine Mauer wirklich gebraucht, aber beim nächsten Mal werde ich an dich denken.
      Viele Grüße und immer eine Handvoll Schnee unterm Ski
      Malte

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